Die heilige Insel

[Tag 8]

Ein neuer Morgen in Hiroshima. Es ist Montag. Die zweite Woche unserer Reise durch Japan beginnt. Heute besuchen wir Miyajima, die Schreininsel.

Auf nach Miyajima

Nach unserem Frühstück fuhren wir mit der Straßenbahn in einer Stunde zum Besucherhafen vor Miyajima. Obwohl die Straßenbahnen recht klein sind, ist stets ein Schaffner mit an Bord. Dieser macht alle Ansagen noch selbst und läuft hin und wieder den Zug auf und ab, um einige Fahrgäste zu kontrollieren. Meiner Meinung nach ein klasse Service/System. Hier braucht es keine Überwachungskameras in den Zügen.

Straßenbahnfahrt

Itsukushima Schrein

In Miyajimaguchi angekommen setzten wir mit einer der vielen Fähren auf die Insel über. Miyajima zählt zu den drei schönsten Landschaften Japans (日本三景). Auf ihr befinden sich unzählige Tempelanlagen und Schreine. Der shintositische Itsukushima-Schrein ist die größte Anlage an diesem Ort und berühmt für sein riesiges rotes Torii, welches aus dem Meer ragt.

Foto mit dem Torii

Die Insel begrüßte uns mit Sonnenschein. An jenem Tag besuchten besonders viele Menschen Miyajima. Es war „Tag des Sports“ und viele Japaner nutzten den freien Tag für einen Familienausflug. Es herrschte reges Treiben und große Heiterkeit. Kurz nach Verlassen des Schiffs trafen wir auch schon auf die ersten Bewohner der Insel: Zahme Rehe liefen frei durch die Menschenmenge oder lagen am Wegesrand. Zunächst gingen wir dem Ufer entlang zum Itsukushima-Schrein. Dessen Torii im Meer war schon von weitem zu erkennen und lud zu schönen Erinnerungsfotos ein. Bevor wir den Schrein betraten, absolvierten wir die rituelle Waschung am Temizuya. Im Anschluss durchquerten wir den etwa 300m langen überdachten Korridor, welcher die Hauptgebäude miteinander verbindet. Große Teile des Schreins sind auf Holzpfählen direkt im Meer erbaut. Neben verschiedenen Altären befindet sich hier die wohl älteste No-Bühne der Welt (ein traditionelles japanisches Theater). 1996 wurde der Schrein und seine Umgebung zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt.

Daishō-in Tempel

Hinter dem Schrein erwarteten uns weitere Tempel und Anlagen. Einer davon lag ein kleines Stück bergauf: Der buddhistische Daishō-in Tempel. Er ist zwar nicht so bekannt wie der Itsukushima-Schrein, aber dennoch mehr als sehenswert. Auf dem Weg die Treppe hinauf findet sich auf der linken Seite ein Garten mit 500 kleinen Rakan Statuen. Sie verkörpern die jünger des Buddha. Man sagt jede besäße einen eigenen Gesichtsausdruck. Während unseres Besuchs trugen sie zudem alle kleine Wollmützen.

Die Tempelanlage besteht aus mehreren Gebäuden. Sie liegen eingebettet in einen Wald am Fuße des heiligen Berges von Miyajima, den Berg Misen. Hier verweilte die Gruppe einige Zeit für eine kleine Mittagspause. Es gab sehr viel zu entdecken. Überall am Boden kann man kleine Jizō Statuen und andere Figuren finden. Die Gärten sind liebevoll bepflanzt. Im Herbst, wenn das Laub bunt in allen Farben leuchtet, entfaltet sich ein ganz besonderer magischer Anblick. Um das Hauptgebäude betreten zu dürfen, müssen die Schuhe ausgezogen werden. Im Inneren befindet sich ein überaus eindrucksvoll ausgeschmückter Altar. An einer Ecke auf der Veranda bemerkte ich ein interessantes Detail. Es war eine kleine Statue des Erzengels Michael und spang mir schnell ins Auge. Sein gothischer Stil unterschied sich stark von seiner buddhistisch geprägten Umgebung. Ich habe leider nicht herausgefunden, warum er hier steht. Der Daisho-in Tempel allein ist einen halben Tagesausflug wert. Doch die Gruppe zog weiter. Unser Ziel war der Gipfel des Berges Misen.

Bis an die Grenzen

Wir hatten die Wahl: Wer mochte, konnte den Berg zu Fuß besteigen. Der Rest folgte Herrn Koyama zur Seilbahn. Ich entschied mich für den Fußweg. Jonas war voller Ehrgeiz und Energie und entschied (entgegen meiner Empfehlung), mich auf dem Fußweg an die Spitze zu begleiten. Insgesamt galt es etwa 500 Höhenmeter zu bezwingen. Einfacher gesagt als getan. Der Weg war steil und verlief über viele viele viele Treppenstufen. Je weiter wir liefen, umso unwegsamer wurde er. Nach etwa einer halben Stunde gerieten Jonas und ich ins Hintertreffen zu unseren Begleitern. Jonas forderte mich immer wieder auf allein vorauszugehen. Das kam für mich jedoch nicht in Frage. Gemeinsam liefen wir bergauf, Schritt für Schritt. Am Wegesrand fanden sich immer wieder kleine Jizo Statuen und Schreine. Viele der Statuen trugen rote Lätzchen. Eltern gedenken hier ihrer verstorbenen Kinder, indem sie den Statuen rote Lätzchen umhängen oder Spielzeug neben ihnen ablegen.

Nach etwa zwei Stunden und endlos vielen Treppenstufen erreichten wir den Aussichtspunkt knapp unterhalb des Gipfels. Jonas war sichtlich erschöpft. Er war wahrlich an seine Grenzen und darüber hinaus gegangen. Hier und auf dem Gipfel befanden sich natürlich auch einige Tempel. Einer davon ist die Raikado Halle. Es heißt, die hier brennende Flamme sei seit 1200 Jahren nicht erloschen. Außerdem wurde mit ihr die „Flamme des Friedens“ in Hiroshima entzündet.

Abwärts

Nach einigen Minuten rappelten wir uns abermals auf, um die letzten Meter zur Seilbahn zu beschreiten. Mit letzten Kräften erreichten wir die Gipfelstation. Hier trafen wir auch einige Mitglieder unserer Gruppe wieder. Es ging in 2 Etappen hinab – zunächst mit einer Pendelbahn, gefolgt von einer Gondelbahn. Hierbei bot sich zur Belohung der Anstrengungen ein ganz besonderer Ausblick über die Insel und auf das Meer. Wieder unten angekommen, nutzten wir unsere letzten Minuten unseres Ausflugs für einen Bummel durch die vielen verschiedenen Souvenirläden und probierten vom traditionellen Gebäck, den Momiji Manju. Quasi kleine Kuchen, mit süßer Füllung in Form eines Ahornblattes. Auf dem Rückweg zur Fähre passierten wir wieder den Torii vom Beginn unseres Besuchs. Nun herrschte Ebbe. Das Wasser hatte sich weit zurück gezogen und es tummelten sich zahlreiche Besucher um das Tor

Torii des Itsukushima Schreins bei Ebbe

Mit Schiff und Straßenbahn fuhren wir zurück ins Hotel, wo unser ereignisreicher Tag schließlich endete. Es war ein ganz besonders schöner Tagesausflug. Die Insel gehört in der Tat zu den schönsten Orten in Japan!